Wie sehr ich das vermisst hab: ein richtig gut erzählter Kriminalroman aus Skandinavien, der nicht übertrieben laut sein muss, um spannend zu sein. Keine Schockmomente, keine Effekthascherei und keine billigen Twists. Stattdessen: Atmosphäre und ein Plot, der mich still, aber bestimmt in seinen Bann gezogen hat.
“Im Finsterwald” spielt in Göteborg, 1926. Ja, das fühlt sich genau so an wie es klingt: kalt und leicht düster. Der Fall ist auf den ersten Blick unspektakulär. Ein Museumsbesuch, danach fehlt jemand. Keine Leiche, kein Skandal, aber ein Verdacht, der sich langsam in die Geschichte schleicht.
Der Kriminalfall entwickelt sich fast beiläufig. Ein Ermittler und eine Journalistin tasten sich durch die Geschichte, Stück für Stück, und du liest mit angehaltenem Atem, obwohl objektiv gar nichts Spektakuläres passiert. Aber innerlich? Yes - da brennt alles. Weil man nämlich denkt und auch spürt, dass hinter allem mehr steckt als die Figuren preisgeben.
Ich liebe diese Art Krimi, man konsumiert nicht bloß, sondern man wird Teil des Ganzen. Es ist wie ein Rätsel. Kein passives Gucken, sondern aktives Lesen. Ein bisschen wie ein Gesellschaftsporträt, ein bisschen wie ein Kammerstück, und extrem atmosphärisch aufgeladen.
Die Sprache ist auch ganz nach meinem Geschmack. Zurückhaltend, klar, elegant. Kein übertriebener Ton, keine krampfhaft originellen Formulierungen, sondern eine fast altmodische Ruhe, die aber nie langweilig wird. Die Übersetzung von Regine Elsässer macht das richtig gut, nie gestelzt, einfach stimmig.
Auch visuell hat das Buch Stil. Das Cover ist für mich fast schon Statement: schlicht, ein bisschen geheimnisvoll, sehr 1920er. Kein überladenes Thriller-Design. Altmodisch auf die beste Weise, mit einem Hauch Fin-de-Siècle-Mystery. Ich würde es auch einrahmen.
Fazit
Das Buch hat mich daran erinnert, was Kriminalliteratur eigentlich kann, wenn sie nicht auf Masse, sondern auf Klasse geht. ”Im Finsterwald” ist kein seichter Crime-Pager für zwischendurch. Es ist ein durchdachtes, feinsinnig geschriebenes Stück Literatur, das Spannung auf eine ganz andere Ebene hebt. Das macht einfach glücklich, weil es zeigt, dass man sich Zeit nehmen darf. Für Sprache, für Atmosphäre, für echte Tiefe.
Ich werde definitiv mehr von Marie Hermanson lesen und wenn du auch das Gefühl hast, das Genre sei dir in den letzten Jahren ein bisschen zu trashy geworden: Das hier ist dein Reset-Knopf.
Hinweis: Dieses Buch wurde mir als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Der Text spiegelt meine persönliche Leseerfahrung wider.